Kinder-Rheuma
Rheuma gibt es auch bei jungen Menschen
Rheuma gilt allgemein als Erkrankung älterer Menschen. Dass auch Kinder und Jugendliche an dieser Krankheit leiden können, ist weniger bekannt. Dabei sind allein von den chronischen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, dem Rheuma im engeren Sinne, mindestens 20.000 Kinder und Jugendliche bundesweit betroffen. Die häufigste Form ist das Gelenkrheuma, eine chronische Gelenkentzündung, die in der Fachsprache als „Juvenile idiopathische Arthritis (JIA)“ bekannt ist. Die JIA ist ein sehr heterogenes Krankheitsbild, das in mehreren Formen auftreten kann, die sich nach der Anzahl betroffener Gelenke und nach Organbeteiligung (z.B. Haut) voneinander unterscheiden.
Unter den Begriff „Kinderrheuma“ fallen neben der JIA weitere Erkrankungsbilder, zu denen u.a. Bindegewebserkrankungen wie der systemische Lupus erythematodes (SLE) oder die Dermatomyositis fallen. Bei dieser Gruppe von Erkrankungen können sich sehr komplexe Entzündungsvorgänge in nahezu allen Körpergeweben abspielen. Um dauerhafte Gelenk- bzw. Organschäden zu verhindern, die Lebensqualität und somit auch die Teilhabe am Leben für junge Rheumatiker langfristig zu erhalten, muss die Erkrankung möglichst rasch erkannt und richtig behandelt werden.
Gelenkrheuma bei Kindern hat viele Gesichter
Das Gelenkrheuma (die Juvenile Idiopathische Arthritis, kurz JIA) ist die häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung bei Heranwachsenden: etwa eines von 1.000 Kindern und Jugendlichen ist betroffen. Bundesweit sind es demnach etwa 15.000. Die JIA zeigt sich mit ganz unterschiedlichen Gesichtern und ist daher oftmals schwer zu diagnostizieren. Das Krankheitsbild reicht von der Entzündung eines Gelenkes oder weniger Gelenke (Oligoarthritis) über die Entzündung vieler Gelenke (Polyarthritis) bis hin zu einer hochakuten fieberhaften Erkrankung mit Hautausschlag (Arthritis mit Enthesitisneigung) und Entzündungen innerer Organe (systemische JIA, Psoriasisarthritis).
Typischerweise erkranken die von Gelenkrheuma Betroffenen schon im Alter von 2-3 Jahren. In dieser Lebensphase können sie sich noch nicht zu ihren Schmerzen äußern. Von Eltern wird eine JIA daher meist an einer Gelenkschwellung und/oder einem veränderten Bewegungsmuster erkannt. Schonhaltungen und eine geringere Bewegungsfreude gehen mit einher.
Kinder Rheuma: nicht gleichzusetzen mit Erwachsenen-Rheuma
Die Juvenile Idiopathische Arthritis unterscheidet sich in ihrem klinischen Erscheinungsbild, möglichen Begleiterkrankungen und in der Prognose deutlich von rheumatischen Erkrankungen bei Erwachsenen. Mit ihnen gemeinsam hat sie jedoch, dass ihre Behandlung konsequent und langfristig erfolgen muss. Je früher behandelt wird, desto besser die Ergebnisse. Eine Kombination aus medikamentöser, krankengymnastischer, ergotherapeutischer und orthopädischer Therapie in Verbindung mit psychosozialen Maßnahmen kommt in der Regel zum Einsatz. Das Therapieziel besteht nicht mehr nur in der Linderung der Beschwerden, sondern in der kompletten Unterdrückung der rheumatischen Entzündung, damit die erkrankten Kinder und Jugendlichen langfristig ein normales Leben mit möglichst hoher Lebensqualität führen können.
Junge Rheumatiker optimal versorgen
Um eine optimale Versorgung junger Rheumatiker zu erreichen, muss zunächst die aktuelle Versorgungssituation erfasst und bewertet werden. Dies beinhaltet sowohl die rheumatologische Versorgung als auch die Untersuchung der medizinischen, psychosozialen und ökonomischen Folgen der Erkrankungen. Wichtige Fragestellungen sind unter anderem:
- Wie schnell erreichen betroffene Heranwachsende nach Ausbruch der Erkrankung einen Rheumatologen?
- Welche Medikamente werden zu Beginn und im weiteren Verlauf der Erkrankung verordnet?
- Welche Begleiterkrankungen können im Krankheitsverlauf auftreten?
- Wie gehen erkrankte Heranwachsende mit Ihrer Erkrankung um?
Um diesen Fragen gezielt nachzugehen, werden umfangreiche Studien durchgeführt.
Kohortenstudien: Datenschätze zur Versorgungssituation junger Rheumatiker
Das Fundament der epidemiologischen Forschung am DRFZ bezüglich Kinder-Rheuma bilden drei große bundesweite Kohortenstudien, die in Zusammenarbeit mit Ärzten und Rheumazentren seit vielen Jahren durchgeführt werden:
- die Kerndokumentation rheumakranker Kinder und Jugendlicher, die pro Jahr knapp 14.000 PatientInnen im ganzen Bundesgebiet erfasst,
- die JIA-Frühkohorte ICON mit 975 JIA-Patienten und ca. 500 gesunden Gleichaltrigen,
- das Biologika-Register JuMBO für junge Erwachsene mit JIA mit über 1.700 TeilnehmerInnen
Nähere Informationen und Ergebnisse zu den Kohortenstudien und weiteren Projekten sind auf den Seiten der AG Kinder- und Jugendrheumatologie zu finden.
Krankheitsprozesse bei der JIA verstehen
Neben der Epidemiologie erforscht das DRFZ auch die Grundlagen der Juvenilen Idiopathischen Arthritis (JIA). Bei der JIA handelt es sich um eine Erkrankung, bei der sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet (Autoimmunerkrankung). Unterschiedliche Zellen des Immunsystems leiten eine überschießende Immunantwort ein, die zu einer chronischen Gelenksentzündung führt. Man geht davon aus, dass bestimmte Umwelteinflüsse, wie z.B. Infektionen und Ernährungsweisen bei Kindern mit bestimmten genetischen Voraussetzungen den Entzündungsprozess mit beeinflussen. Allerdings ist es bisher nicht gelungen, die zugrundeliegende Ursache dieser fehlgeleiteten Immunantwort zu entschlüsseln.
Moderne Techniken ermöglichen es mittlerweile die Eigenschaften einzelner „Entzündungszellen“ mit höchster Auflösung zu charakterisieren (z.B. „Einzelzell-Sequenzierung “). Da Zellen vom Blut in das Gelenk und wieder zurück wandern, können bestimmte Krankheitsprozesse im Gelenk auch durch die Analyse von Zellen aus dem Blut untersucht werden. Diese detaillierte Analyse der Entzündungsprozesse
nutzen die Forscher um:
- Ursachen der chronischen Entzündung zu entschlüsseln,
- Marker zu beschreiben, die zur Diagnosestellung und Therapieüberwachung herangezogen werden können
- und mögliche therapeutische Ansätze zu identifizieren.
Näheres finden Sie hier: Arbeitsgruppe Chronisch-entzündliche Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters
In einem neuen Forschungsprojekt von DRFZ und Charité, gefördert von der Leibniz Gemeinschaft, werden entsprechende Analysen bei Kindern mit einer JIA durchgeführt, die über einen längeren Zeitraum beobachtet werden. Spannend ist hier auch die Frage, warum es bei einem Teil der jungen PatientInnen zu einer spontanen Remission (Rückbildung) der Erkrankung kommt, bei anderen aber nicht.