Wolfgang Schulze Preis-Verleihung
Jährlich schreibt die Stiftung Wolfgang Schulze Forschungspreise aus. Ziel ist die Förderung der Forschung in Bezug auf die Autoimmunerkrankungen insbesondere aus dem rheumatischen Formenkreis. Die Preisverleihung fand am 16.9.2019 in der Begegnunshalle der Rheuma-Liga in Mariendorf statt.
Regelmäßig gehen auch Preise ans DRFZ, die beiden Preisträgerinnen, Andreia Lino und Katinka Albrecht stellen hier Ihre Forschungsprojekte kurz vor. Herzlichen Glückwunsch an die Preisträgerinnen.
Forschungspreise für Katinka Albrecht, AG Zink und Andreia Lino, AG Dörner
Versorgung von Personen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen auf Bevölkerungsebene – eine Analyse von Krankenkassendaten
Die Versorgungsforschung entzündlich-rheumatischer Erkrankungen hat sich bisher auf Personen fokussiert, die in rheumatologischen Einrichtungen versorgt werden. Ein Beispiel sind die Daten aus der Kerndokumentation der Rheumazentren, die als weitgehend repräsentativ für die rheumatologische Versorgung, nicht jedoch für die Versorgung auf Bevölkerungsebene betrachtet werden können. Im BMBF-geförderten Projekt PROCLAIR wurde erstmals die Versorgung von Personen mit rheumatoider Arthritis, axialer Spondyloarthritis und Arthrose anhand von Krankenkassendaten untersucht. Hierdurch wurden deutliche Unterschiede in der Versorgung mit disease-modifying antirheumatic drugs (DMARDs) bei rein hausärztlich betreuten Patienten mit RA im Vergleich zu rheumatologisch betreuten Personen aufgedeckt.
Nach Abschluss von PROCLAIR möchten wir mit Hilfe von Rheuma-Care auch die Versorgung von weiteren Krankheitsbildern aus dem entzündlich-rheumatischen Formenkreis (Psoriasisarthritis, Kollagenosen) untersuchen. In Deutschland gibt es bis dato keine systematischen Analysen von Krankenkassendaten, die sich mit der Versorgung der sogar innerhalb der Rheumatologie eher seltenen Krankheitsbilder befassen. Die in PROCLAIR überraschend deutlich zu Tage getretenen Unterschiede in der hausärztlichen und internistisch-rheumatologischen Versorgung sind bei diesen schwierig zu diagnostizierenden Erkrankungen noch eher zu erwarten als bei der RA. Weiterhin kann die Häufigkeit von Begleiterkrankungen und ihrer Medikation sowie der Impfstatus oder operative Eingriffe untersucht werden.
Wir gehen davon aus, dass neue Erkenntnisse zur Versorgung seltener rheumatischer Erkrankungen dazu beitragen, die Aufmerksamkeit von Ärzten, Fachgesellschaften und Betroffenen zu schärfen.
Die Hauptfunktion des Immunsystems besteht darin, den Körper vor Eindringlingen wie Viren oder Bakterien zu schützen, aber auch, eigene geschädigte Zellen zu beseitigen. Es ist sehr wichtig, dass es hierbei zwischen Selbst und fremd oder dem geschädigten Selbst unterscheiden kann. T- und B-Zellen, die an körpereigene Moleküle binden, werden eliminiert. Nur Zellen, die nicht an körpereigene Strukturen binden, erhalten die Möglichkeit sich weiterzuentwickeln und mit der Patrouillenarbeit im Körper zu beginnen. Da dieser Selektionsprozess nicht perfekt ist und sich die Erkennungsrezeptoren im Verlauf der Immunantwort verändern können, besitzt das Immunsystem mehrere Regulationsmechanismen, die verhindern sollen, dass selbstreaktive Zellen Autoimmunattacken auslösen.
Bei autoimmunen rheumatischen Erkrankungen wie systemischem Lupus erythematodes (SLE), rheumatoider Arthritis (RA) oder systemischer Sklerose greift das Immunsystem fälschlicherweise Bindegewebe wie Knorpel, Haut oder Gelenksynovium an. Hierzu kommt es, weil entweder die Auswahl- oder die Regulierungsmechanismen oder beide scheitern. Um Menschen mit rheumatischen Erkrankungen behandeln zu können, müssen wir diese Mechanismen verstehen und wie die körpereigene Toleranz wiederhergestellt und/oder der Autoimmunangriff vermieden werden kann.
B-Zellen sind die einzigen Zellen des Immunsystems, die bei der Differenzierung zu Plasmazellen in der Lage sind, Antikörper zu produzieren. Antikörper sind Proteine, die an die schädlichen Eindringlinge binden und sie zur Zerstörung markieren. Wenn das Immunsystem gestört ist, binden Antikörper körpereigene Strukturen, die eine Immunüberreaktion erzeugen, was als Autoimmunerkrankung bezeichnet wird. Erst vor etwa 20 Jahren fand man heraus, dass B-Zellen mehr leisten als Antikörper zu produzieren. Unter anderem wurde entdeckt, dass B-Zellen auch Zytokine produzieren können. Zytokine sind Botenstoffe, sie helfen den Immunzellen, sich zu koordinieren und in jeder Situation zusammenzuarbeiten. Es gibt Zytokine, die entzündungshemmend sind, wie Interleukin-10 (IL-10). Wenn sie vorhanden sind, wird die Immunantwort unterdrückt, daher haben sie positive Auswirkungen auf Autoimmunerkrankungen.
IL-10 wird innerhalb der Zellen produziert und erst bei einem bestimmten Reiz nach außen abgegeben, sodass wir es nie an der Oberfläche der Zellen “sehen” können. Aus diesem Grund ist es schwierig zu wissen, welche Zellen des Immunsystems IL-10 produzieren können. Unser Ziel war es, diese Zellen mit einem Oberflächenmolekül zu identifizieren, um sie gezielt anzusprechen zu können: entweder um sie dazu zu bringen, mehr IL-10 in einer Situation der systemischen Autoimmunität zu produzieren, oder um sie an einen bestimmten Ort des Körpers zu bringen, wo eine Überreaktion gegen den eigenen Körper stattfindet.
Um zu identifizieren, welche B-Zellen IL-10 produzieren können, haben wir gentechnisch veränderte Mäuse verwendet, bei denen das IL-10-Gen modifiziert wurde, um gleichzeitig IL-10 und ein grün fluoreszierendes Protein (GFP) zu produzieren. Auf diese Weise konnten wir grüne lebende B-Zellen, die IL-10 produzierten, auswählen und mit denen vergleichen, die nicht grün waren und folglich IL-10 nicht produzierten. Wir haben beide Zelltypen auf Unterschiede in ihrer Genexpression untersucht. Durch diesen Vergleich entdeckten wir ein Gen für ein Oberflächenprotein, welches nur von den grünen Zellen (IL-10-Produzenten) exprimiert wurde. Dieses Protein war LAG-3 (Lymphozyten-Aktivierungsgen 3).
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit haben wir die Biologie der IL-10 und der LAG-3 exprimierenden B-Zellen charakterisiert. Wir fanden heraus, dass IL-10 und LAG-3 nur von terminal differenzierten B-Zellen – Plasmazellen – exprimiert wurden, welche Antikörper produzieren. Wir fanden auch heraus, dass LAG-3 exprimierende Plasmazellen unter naiven Bedingungen (vor jeder Art von Reiz) und sogar bei keimfreien Mäusen existieren. Zusammengefasst haben wir festgestellt, dass LAG-3 das Oberflächenmolekül ist, das spezifisch die natürlichen regulatorischen Plasmazellen identifiziert, die immunsuppressive Fähigkeiten haben.
Wir glauben, dass die Entdeckung von LAG-3 die Möglichkeit bietet, natürliche regulatorische Plasmazellen in der Autoimmunität zu stärken, und das Potential hat, die Therapien für Patienten mit rheumatischen Erkrankungen zu ändern.