Multiplex-Mikroskopie schafft neue Möglichkeiten zur Analyse von Immunzellen im Gewebekontext
Immunzellen stehen ständig im Kontakt mit dem sie umgebenden Gewebe. Um die Funktion des Immunsystems sowohl im gesunden Gewebe als auch bei chronischen Entzündungen zu verstehen, ist daher eine Analyse dieser Zellen im Gewebekontext notwendig. Hierbei sind insbesondere gewebeständige Zellen des angeborenen Immunsystems, so genannte innate lymphoid cells (ILCs) von Interesse, denn sie wirken in verschiedensten Bereichen des Körpers als Sensoren für den Status des umliegenden Gewebes. Sie kommen jedoch nur in einer äußerst geringen Anzahl im Gewebe vor und sind deshalb sehr schwer mikroskopisch auffindbar. Trotz ihrer Seltenheit erfüllen sie wichtige regulatorische Funktionen in verschiedensten biologischen Prozessen.
Durch die gleichzeitige Messung von Dutzenden von Markern konnten in der AG Immundynamik unter Leitung von Prof. Anja Hauser diese Zellen erstmals eindeutig in einem humanen Gewebeschnitt identifiziert, genau charakterisiert und analysiert werden. Die komplexe Natur der Daten erforderte die Anwendung neuartiger Analysemethoden. So kam zum Beispiel eine Computer-gestützte, automatisierte Erkennung der Zellen und ihrer Umgebung zur Anwendung, bei der unter anderem „Machine-learning“-Algorithmen, so genannte künstliche Intelligenz, eingesetzt wurde. So konnte gezeigt werden, dass der Transkriptionsfaktor IRF4 in einer bestimmten Population von ILC, den ILC3, in den entzündeten Rachenmandeln vorkommt, und dass ILC3 sich bevorzugt im Bindegewebe dieser Organe, in der Nähe von Gefäßen und in unmittelbarer Nachbarschaft zu Plasmazellen, ansiedeln. Diese besondere Lokalisation im gefäßnahen Bindegewebe konnte die Arbeitsgruppe auch in chronischen Entzündungen anderer Gewebe, wie zum Beispiel im Darm von Patienten mit Colitis ulcerosa, beobachten. Die Arbeit bietet nicht nur eine Grundlage für zukünftige Studien an Zellen des angeborenen Immunsystems wie den ILCs, sondern auch für die Identifizierung und eingehende Charakterisierung anderer Immunzelltypen und ihrer Mikroumgebung in einer Vielzahl von Organen. Sie eröffnet so ganz neue Möglichkeiten der Analyse von Immunzellen und ihrer Umgebung. Da die Technologie eine umfassende Analyse selbst kleinster Gewebebiopsien erlaubt, eignet sie sich besonders zum Einsatz in der personalisierten Medizin. Das Projekt wurde maßgeblich durch das DFG Schwerpunktprogramm 1937-Innate Lymphoid Cells gefördert.
Durch die Kombination einer großen Anzahl verschiedener Parameter in einem Gewebestück eignet sich die Technologie nicht nur zur Analyse von humanen Gewebsbiopsien, sondern trägt auch wesentlich dazu bei, in Tiermodellen die Anzahl benötigter Versuchstiere zu reduzieren.
Dieser Beitrag zur Umsetzung der so genannten 3R Prinzipien (Reduce, Replace, Refine) wurde mit der Verleihung des Zuschauer-Preises beim Charité 3R-Symposium am 24.2.2021 gewürdigt. Die Arbeit wurde außerdem durch ein „Adding 3R Value Grant“ der Charité 3R unterstützt.
Diese Arbeit wurde durch das DFG Schwerpunktprogramm 1937-Innate Lymphoid Cells und Charité 3R gefördert.
„Multiplex“ bedeutet die gleichzeitige Analyse von vielen verschiedenen Faktoren. So wurden Analysen in einer bislang ungekannten Tiefe möglich, die sogar zur Entdeckung völlig neuer Unterarten von Immunzellen führten. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Innate Lymphoid Cells (ILCs). Mit Hilfe der Multiplex-Analysen können nun auch in Gewebeschnitten diese Zellen mikroskopisch untersucht werden. Das ermöglicht nicht nur qualitative Untersuchungen, sondern auch quantitative Analysen von verschiedensten Immunzellen und den Beziehungen zu ihrer Mikroumgebung. So dient die hier beschriebene Technologie als Grundlage zur Erforschung vieler weiterer Fragestellungen.