Sozialer Stress beeinflusst die Blutzellproduktion
Forscher:innen des Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ), ein Leibniz-Institut, haben in einer wegweisenden Studie gezeigt, wie Stress die Bildung von Blutzellen beeinflusst. Diese entscheidenden Einblicke in die molekularen Mechanismen der Hämatopoese wurden kürzlich im Fachjournal PLoS Biology veröffentlicht.
Aus den Hämatopoetischen Stammzellen (HSZs) im Knochenmark, einer seltenen, langlebigen und vielseitigen Zellpopulation, entstehen die verschiedenen Zelltypen des Blutes. Diese bilden die Grundlage für die ständige Erneuerung aller Arten von Blutzellen im Verlauf des Lebens. Die Fähigkeit der HSZs, sich gleichmäßig in verschiedene Blutzellen zu entwickeln (Multipotenz), wird durch Stress beeinträchtigt. Stress führt dazu, dass die Bildung von Blutzellen in Richtung Granulopoese verschoben wird – das ist die Produktion von Granulozyten, einer Zellart des angeborenen Immunsystems, die schnell auf Bedrohungen wie Bakterien mit einer Immunantwort reagiert. Bisher waren die genauen molekularen Mechanismen, die diesen Prozess der Stressgranulopoese steuern, unbekannt. Das Forschungsteam unter der Leitung von Professor Fritz Melchers hat nun herausgefunden, dass bestimmte Mikro-RNAs (miRNAs), die die Genexpression nach der Transkription regulieren, die Stressgranulopoese unterdrücken.
Hierbei unterdrücken die miRNAs, miR-221/222, sogenannte Immediate Early Genes (IEGs), die durch Stress induziert werden und dämpfen dabei den Prozess der Stressgranulopoese. Ein genetischer Mangel an miR-221/222 hatten im Tierexperiment ähnliche Auswirkungen, als würden die Versuchstiere unter sozialem Stress stehen. Konkret bedeutet dies, dass das Fehlen der miRNAs sozialen Stress und eine erhöhte Bildung von Granulozyten simulierte. Die Studie zeigte konkret, dass der miR-221/222-Mangel, Stress und die Aktivierung des Fos/AP-1/IEG-Wegs miteinander verbunden sind und letztendlich die Granulozytendifferenzierung beeinflussen.
Die Forscher:innen schlagen vor, dass eine gezielte Aktivierung von miR-221/222 in menschlichen Knochenmark-Stammzellen die Effizienz von Knochenmarktransplantationen verbessern könnte. Dies könnte dazu beitragen, dass die Stammzellen ruhig und flexibel (mulipotent) bleiben, was wiederum die durch Stress ausgelöste ungleichmäßige Bildung von Blutzellen, zugunsten einer verstärkten Produktion von Granulozyten des angeborenen Immunsystems im Vergleich zu Lymphozyten des erworbenen Immunsystems, unterdrücken könnte.
Diese wegweisende Forschung vertieft nicht nur unser Verständnis der Hämatopoese, sondern eröffnet auch neue Wege für therapeutische Interventionen unter Bedingungen, bei denen Stress die Produktion von Blutzellen wesentlich beeinträchtigt.