EBV-Reaktivierung als Schlüsselmechanismus von MIS-C nach SARS-CoV-2 Infektion

Warum Kinder noch Wochen nach einer Corona-Infektion schwer erkranken und wie sie geheilt werden können
Forschende um Dr. Mir-Farzin Mashreghi vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ), einem Leibniz-Institut, und Prof. Dr. Tilmann Kallinich von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Liaison-Gruppenleiter am DRFZ , haben wichtige Erkenntnisse zum multisystemischen Entzündungssyndrom bei Kindern (MIS-C) gewonnen. Diese seltene, aber schwere Erkrankung tritt 4 bis 8 Wochen nach einer SARS-CoV-2-Infektion auf und wird durch eine gestörte Reaktivität der Gedächtnis-T-Zellen verursacht. Dabei spielt das Zytokin TGF-β eine zentrale Rolle: Es beeinträchtigt die Funktion der T-Zellen, löst Reaktivierungen des Epstein-Barr-Virus (EBV) aus und verstärkt die systemische Entzündungsreaktion. Eine gezielte Blockade von TGF-β konnte diese Mechanismen in der Studie effektiv unterbrechen. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Die gemeinsame Studie von DRFZ und Charité zeigt, dass akutes MIS-C durch eine erhebliche Einschränkung der Reaktivierung virusreaktiver Gedächtnis-T-Zellen geprägt ist. Diese Funktionsstörung wird durch erhöhte TGF-β-Spiegel im Serum verursacht, wie sie auch bei schweren COVID-19-Verläufen bei Erwachsenen beobachtet wurden. „Infolgedessen wird die T-Zell-vermittelte Überwachung und Eliminierung latenter Viren, insbesondere von EBV, stark eingeschränkt“, erklärt der Erstautor der Studie, Dr. Carl Christoph Goetzke.
Die Forschenden stellten fest, dass bei MIS-C-Patient:innen eine Expansion spezifischer T-Zellen auftrat, die gegen EBV reaktiv waren, jedoch aufgrund der erhöhten TGF-β-Spiegel nicht in der Lage waren, infizierte Zellen zu eliminieren. Gleichzeitig führte der hohe TGF-β-Spiegel zu einer Reaktivierung des EBV in B-Lymphozyten. Diese unkontrollierte Vermehrung des Virus trug entscheidend zur schweren systemischen Entzündungsreaktion bei. Durch die Blockade von TGF-β konnte die Funktionalität der T-Zellen wiederhergestellt und die EBV-Reaktivierung in infizierten B-Lymphozyten verhindert werden.
Die durch TGF-β hervorgerufene Beeinträchtigung der T-Zell-Reaktivität korreliert eindeutig mit einer erhöhten EBV-Konzentration in aktivierten B-Lymphozyten aus dem Blut. Kinder, die nach einer überstandenen SARS-CoV-2-Infektion an MIS-C erkrankten, wiesen häufiger Antikörper gegen EBV in ihrem Blut auf als gleichaltrige Kontrollgruppen, die zwar ebenfalls eine SARS-CoV-2-Infektion durchlaufen hatten, jedoch kein MIS-C entwickelten. Eine zentrale Erkenntnis aus dieser Beobachtung ist, dass Kinder mit latentem EBV ein erhöhtes Risiko tragen, nach einer SARS-CoV-2-Infektion an MIS-C zu erkranken.
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen die komplexen Zusammenhänge zwischen SARS-CoV-2-Infektionen und Folgeerkrankungen, insbesondere bei Kindern. Darüber hinaus liefern sie wertvolle Hinweise für die Entwicklung gezielter Therapien zur Behandlung von MIS-C und anderen post-COVID-19-Erkrankungen, die möglicherweise mit einer EBV-Reaktivierung in Verbindung stehen.